Mehr Informationen als ein Herbarium Hans-Jürgen Neß Als im Herbst 1987 die Arbeitsgruppe Echinocereen gegründet wurde, ging diese Initiative überwiegend von den Oststeinbeker Kakteenfreunden aus. Die meisten von ihnen wurden Gründungsmitglieder, damals wie heute so richtige Enthusiasten. Ich kann mich noch genau erinnern, als mein Freund Günter Steinert und ich Anfang der 1990er-Jahre nach Oststeinbek eingeladen waren. Eine unvergessliche Reise und eine herzliche Gastfreundlichkeit, bei jedem Sammlungsbesuch bekamen wir wunderschöne Echinocereen geschenkt. Ich kann mit Stolz behaupten, dass diese noch heute in unseren Sammlungen als Prachtexemplare stehen. Damals war die Neugier auf noch unbekannte Echinocereen sehr groß, hervorgerufen durch Forschungsreisen und die vielen Neuheiten mit Lau-Feldnummern. Da Jahre zuvor in der KuaS die monatlichen Karteikarten Einzug hielten, möchte ich vermuten, dass sich die Oststeinbeker Kakteenfreunde dachten, dass sie das auch und vielleicht sogar besser können. Dazu muss gesagt werden, dass es ungezählte Kakteen- und Lexikaliteratur gibt, in deren Beschreibungen nur relativ kleine bildliche Vorstellungen gegeben werden. Hier gingen die Oststeinbeker Enthusiasten anders vor: 1992 starteten sie zu unserem AG-Treffen den Aufruf „Wer hat Interesse an unserer Loseblattsammlung?“. Jede der Einzelausgaben bezieht sich auf ein konkretes Vorkommen, ein spezifisches Habitat eines unserer Echinocereentaxa. So wurden pro Ausgabe neben der genauen tabellarisch-textlichen Beschreibung zur Morphologie zuzüglich der Begleitflora, der Bodenverhältnisse, des Blühzeitpunkts … übersichtliche Blätter mit einer sehr detaillierten fotografischen Bildbeschreibung erstellt. Das absolut Einmalige ist dieser großzügige als Leporello aufgebaute Bildteil, sehr übersichtlich und aussagekräftig. Quasi alles, was ich am Naturstandort optimalerweise auch gerne sehen möchte, ist mit mehreren Blicken erfassbar: von Übersichtsaufnahmen zum Standort über die Blüte bis hin zu Details wie zerteilten Früchten. Besonders eindrucksvoll, informativ und wichtig für alle, die wie ich nie die Gelegenheit hatten, persönlich die Heimat der Kakteen zu erleben! In mühevoller Kleinarbeit haben die Kakteenfreunde Oststeinbek in einem Zeitraum von 25 Jahren insgesamt 100 Echinocereenvorkommen fotografiert und in Hochglanzqualität dokumentiert, anfangs noch mit analogen Bildern, später mit digitalen Aufnahmen. Im Laufe der Zeit wurden 60.000 Bögen produziert und verteilt. Sie wurden immer zuverlässig geliefert ohne an der Preisschraube zu drehen. Nun hat diese Loseblattsammlung ihren Abschluss gefunden! Dies ist bedauerlich, aber der Aufwand und natürlich das Ergebnis sind in dieser Form mehr als anerkennenswert. In meiner Literatursammlung befinden sich nun vier Aktenordner, die für mich ein gelungenes Nachschlagewerk sind, das seinesgleichen sucht: aussagekräftiger als ein Herbarbeleg es jemals sein könnte. Ich möchte diese Loseblattsammlung deshalb getrost als mein bildliches Herbarium bezeichnen. Die 100 vorliegenden Pflanzenporträts spiegeln Einblicke in die verschiedenen Habitate wider, die für mich in der Natur nicht möglich waren und auch nicht sind. Eine bessere Darstellung vom Standort zum Gesamtbild der Knospenbildung bis zur Samenreife kenne ich nicht. Dafür gilt allen beteiligten Oststeinbeker Kakteenfreunden ein großer Dank von den Abnehmern. Und dies ist mein persönlicher Anteil am längst verdienten Dankeschön!