Die Kreuzung Echinocereus coccineus subsp. coccineus X Echinocereus bonkerae subsp. apachensis – oder wir kreuzen eine tetraploide Art mit einer diploiden Art Ingo Bartels Echinocereus bonkerae subsp. apachensis ist für mich vom Habitus einer der schönsten Echinocereen in dieser von der Natur sowieso schon reich gesegneten Gattung. Die tolle Bedornung spricht für sich und die tief dunkelpurpurfarbenen Blüten können sich ebenfalls sehen lassen. In unserer Mutterzeitschrift, der KuaS, hatte ich daher im April 2017 diese attraktive Art ausführlich vorgestellt. Die Resonanz auf den Artikel war sehr positiv, worüber ich mich natürlich gefreut habe, denn auch das Artikelschreiben ist mit Zeit und Aufwand verbunden. In diesem Bericht erwähnte ich eine ungewöhnliche, in Kultur vom Züchter Peter Mügge erzeugte Hybride. Und zwar die in der Überschrift genannte Kreuzung der beiden botanischen Arten. Beide sind vom Habitus durchaus gut unterschiedene Spezies, die vermutlich nur sehr weitläufig verwandt sind, sich anscheinend aber trotzdem erfolgreich miteinander kreuzen ließen. Und das, obwohl sie aus unterschiedlichen Untergattungen stammen und nicht die gleiche Ploidiestufe teilen. Echinocereus coccineus gilt als tetraploid und Echinocereus bonkerae subsp. apachensis als diploid – wie die meisten Echinocereus-Arten. Nach den Gesetzen der Biologie sollte aus so einer Vermählung eine triploide i.d.R. unfruchtbare Hybride entstehen. Es besteht also eine „genetische“ Isolierung der beiden Arten, die in der Natur (sofern sie gemeinsam ein Habitat bewohnen würden) erfolgreich die Artgrenzen aufrechterhält. Beginnen möchte ich mit ihrer Entstehung in Kultur. Die Bestäubung wurde vom Züchter Peter Mügge durchgeführt. Dieser hat mir vor Jahren einige kleine ungeblühte Sämlinge dieser Kreuzung im Tausch zur Aufzucht überlassen, die dann von mir mit den besten Hoffnungen zur Blüte gebracht wurden. In diesem Fall bin ich also der sogenannte Aufzüchter. In Züchterkreisen wird übrigens zwischen Züchter und Aufzüchter unterschieden. Züchter ist derjenige, der die Bestäubung durchführt. In den meisten Fällen wird der Züchter dann die Samen aussäen und die Sämlinge zur Erstblüte bringen und selektieren – aber eben nicht immer! Für diese Fälle wurde in Züchterkreisen der Begriff des Aufzüchters kreiert, der greift, wenn der Züchter Samen oder ungeblühte Sämlinge an andere weitergibt und diese später beim sogenannten Aufzüchter erblühen. Die Hybride ist somit in einer Art Gemeinschaftsarbeit entstanden, wobei der Aufzüchter natürlich den wesentlich arbeitsintensiveren Part übernommen hat und zudem das Risiko von missratenen Aufzuchten trägt. Aber so funktioniert nun mal Züchtung und der Austausch hat letztendlich für beide Vorteile. Meine Sämlingsaufzuchten wurden, so wie es sein sollte, mit meinem angemeldeten (Auf-)Züchter-Kürzel BS und der Sämlingsnummer eindeutig gekennzeichnet. Eine Kreuzungsnummer mit Züchterkürzel liegt für diese Pflanzen leider nicht vor. Ansonsten hätten die Unikate wunderbar eindeutig und leicht nachvollziehbar mit der Buchstaben-Ziffern-Kombination, die sich aus Züchterkürzel, Kreuzungsnummer, Aufzüchterkürzel und Sämlingsnummer ergibt, bezeichnet werden können, was aber in diesem Fall mangels Kreuzungsnummer nicht möglich ist. Ich hoffe, es geht aber auch so, bislang ist auch keine Vermehrung angedacht. In diesem Fall müsste dann ggf. auch über eine passende merkbare Bezeichnung für das gute Stück nachgedacht werden. Doch wieder zurück zu den Pflanzen. Betrachten wir meine vier Sämlinge, lassen sich vom rein habituellen Aspekt Erbmerkmale beider Eltern erkennen. Da ich die Kreuzung nicht selbst durchgeführt habe, kann ich dafür natürlich keine 100% Gewähr geben, aber vom optischen Eindruck kann das schon sehr gut hinkommen. Besonders wenn man die uniformen Blüten betrachtet, die wirklich fast intermediär zwischen den beiden Arten liegen und damit wie aus dem Bilderbuch die Uniformitätsregel nach Mendel bestätigen. Für alle, deren Biologieunterricht schon etwas her ist: Mendels Regel besagt, dass bei einer Kreuzung zweier reinerbiger botanischer Arten die Kinder der F1-Generation uniform, also phänotypisch alle gleich ausschauen. Richtig interessant wären dann natürlich F2- Kreuzungen, aber ich möchte heute erst mal die einzelnen Pflanzen näher vorstellen, dass Sie sich ein Bild von diesen Unikaten machen können: Betrachten wir also die Sämlinge etwas näher bezüglich ihrer Morphologie. Auf den ersten Blick fällt der früh sprossende, relativ flache Habitus auf, der stark an die Mutter (E. coccineus) erinnert. Sämling BS.02 (Abb. 3) fällt allerdings durch eine abweichende Wuchsform auf, der mit länglichem Wuchs und geringeren Sprossen mehr an den Vater anlehnt. Von den Rippen liegen alle Pflanzen mit 10–14 ziemlich genau in der Mitte zwischen den Eltern. Auch die Bedornung ist irgendwie ein Mittelding zwischen beiden Arten. Deutlich länger als die der Mutter, teilweise auch verdreht/verbogen und etwas flexibel nach Art des Vaters. Im Gesamteindruck auffallend weiß. Extreme schwarze Mitteldornen, wie sie bei den besten Apachensis-Selektionen vorkommen, fehlen allerdings; trotzdem lassen sich für den Kenner schon Apachensis- Merkmale in der Bedornung erkennen. Die Dornen können bis zu 6 cm lang werden, eine solche Dornenlänge habe ich zumindest an den Echinocereus coccineus, die meine Sammlung beehren, ebenfalls noch nicht gemessen (Abb. 1 & 5). Besonders gespannt war ich auf die Blüten. Alle Pflanzen haben sich mit ihrer Erstblüte Zeit gelassen und somit ihren Aufzüchter auf die Folter gespannt. Vielleicht hatten sie auch einfach Angst, denn eine Erstblüte kann durchaus schnell zu einer Schicksalsblüte werden, schließlich muss ein guter Züchter hart selektieren. Die Blumen beider Eltern kennt sicher jeder und es hieße Eulen nach Athen zu tragen, wenn hier extra Bilder gezeigt werden. Bei den Blüten der Coccineus-Mutter wird eindeutig auf Masse gesetzt. 2–3 cm Durchmesser sind ziemlich mickrig, aber wenn dann 20 Stück davon offen sind, macht das auch was her. Und der Züchter freut sich über 20 Gelegenheiten zur Kreuzung. Weitere Merkmale sind ein klares Rot mit Touch ins Orange, eine nur relativ kurz bedornte Röhre und vor allem die Fähigkeit funktionell weibliche (bzw. männliche) Blüten hervorzubringen, die den E. coccineus neben anderen Merkmalen vom E. santaritensis trennt. Es wäre interessant herauszufinden, ob und wie sich Zweihäusigkeit im Erbgang weitervererbt, denn der Vater kann damit nicht dienen. Dieser hat auch einen anderen Blütentyp, zwar auch relativ klein, aber in einer kompromisslosen Farbe in Tiefpurpurrot und mit wunderschön lang weiß umsponnener Röhrenbedornung, die wie feine Seide schimmert. Die Abb. 2 & 4 zeigen die Blüten zweier Geschwistersämlinge und damit das Ergebnis dieser Vermählung. Ich finde, man kann Merkmale beider Eltern erkennen. Ein unglaublich tiefes Rot mit Touch ins Karminrot, wunderschön weiß beborstete Knospen und mit ca. 3–5 cm Durchmesser etwas größer als die der Mutter, aber leider auch ohne das Massenblütenverhalten des E. coccineus – man kann halt nicht alles haben! Die Blüten sind von der Anlage durchaus vom dicken E. coccineus-Typ, bilden aber nach einiger Zeit eine deutlich längere Bedornung aus. Ein zweihäusiges Blütenverhalten konnte nicht festgestellt werden. Da hat sich also der Apachensis- Vater durchgesetzt. Alle Pflanzen haben Pollen und gut ausgebildete Narben. Für eine abschließende Beurteilung sollten aber noch mehr Folgeblüten abgewartet werden. Interessant auch der Blühzeitpunkt. Echinocereus coccineus blüht bei mir als einer der ersten Echinocereen. Und das relativ unabhängig von der Kultur. Der Blühzeitpunkt ist also genetisch festgelegt. Meine Echinocereus bonkerae subsp. apachensis blühen etwas später im Jahr und unser Ergebnis liegt irgendwo dazwischen, so konnten Rückkreuzungsversuche mit den in meiner Sammlung vorhandenen botanischen Elternarten vorgenommen werden, die aber bisher leider zu keinem Samenansatz geführt haben. Die Gründe für diese Unfruchtbarkeit können vielfältiger Natur sein, naheliegend ist aber der Verweis auf den vermutlich triploiden Status der Hybriden. Soweit so schlecht, ich habe daher irgendwann Kreuzungsversuche mit diesen Aufzuchten aufgegeben. Natürlich eine kleine Niederlage für einen ambitionierten Züchter, aber es ist halt Natur und auch ein Züchter kann die Gesetze der Biologie nicht außer Kraft setzen. Aber es sollte noch dicker für das Züchterego kommen: Die Schlusspointe setzte schließlich im Jahre 2017 meine Pflanze BS.04 (Abb. 3): Ein Fruchtansatz und das ganz ohne Zutun des Züchters. Natürlich ein starkes Stück von diesem Früchtchen! Erst jahrelang alle wohlüberlegten Kreuzungen des Züchters scheitern lassen und dann von einem Bienchen überlistet oder wie?! Es kann nicht sein, was nicht sein darf, und ich vermutete stark eine Scheinfrucht à la seedless Wassermelonen, aber schauen Sie selbst, in Abb. 6 sehen Sie die sezierte längliche Frucht (ähnelt etwas der Mutter und reißt nur wenig auf), die über 80 schwarze Samen enthielt, die ich schon aus Neugierde, wer denn da alles seine Pollen im Spiel hatte, aussäen werde. Da kommen natürlich theoretisch alle gleichzeitig blühenden Echinocereus-Arten und Hybriden meiner Sammlung in Betracht und das dürfte dann – sofern es keimt – vielleicht noch für die eine oder andere Überraschung sorgen. Ja, eine harte Nuss für die Botaniker ist es auch! Interessant wäre zu erfahren – wenn diese Pflanze wirklich triploid ist – warum sie dann eigentlich überhaupt Samen ansetzt? Ein auf das Problem angesprochener befreundeter Biologe, der professionell bei einem namhaften Unternehmen züchtet, fand den Sachverhalt – nicht ohne auf Apomixis (ungeschlechtliche Fortpflanzung) auch bei anderen Pflanzen hinzuweisen – interessant und riet dringend dazu den Samen schon aus wissenschaftlicher Neugier auszusäen. Das werde ich tun und zu gegebener Zeit in unserem Heft darüber berichten. Gerne können auch alle, die sich von der Thematik angesprochen fühlen, mir unter meiner E-Mail-Adresse zum Thema schreiben. Sehr interessieren würde mich natürlich auch eine Rückmeldung vom Züchter, den ich noch nicht wieder erreichen konnte. Vielleicht haben andere Echinocereenfreunde ähnliche Kreuzungen durchgeführt und andere Erfahrungen gemacht. Interessant ist das Thema natürlich auch vor dem Hintergrund der Artentstehung und Abgrenzung, teilen sich doch durchaus manche Arten mit unterschiedlichen Ploidiestufen ein gemeinsames Areal. Dass eine Kreuzung zwischen diploiden und tetraploiden Spezies in Kultur möglich ist, ist lange bekannt. So etwas sollte auch prinzipiell in Natur möglich sein, einige wenige gefundene triploide Naturhybriden bestätigen das. Trotzdem bin ich als langjähriger Hybridenzüchter immer wieder überrascht, wie relativ wenige Hybriden doch an den Standorten vorkommen. Da spielen also sicher noch diverse andere „Isolationskriterien“ wie unterschiedliche Blühzeiten oder unterschiedliche Bestäuber eine offensichtlich sehr große Rolle. Sicher wurden dazu schon entsprechende Experimente vorgenommen – auch das wäre doch ein toller Bericht für unseren Echinocereenfreund, der schließlich von den Artikeln seiner Mitglieder lebt.