Cactophilatelie: Die verlorene Freude Michael Kohser Neben der Pflege meiner ca. 80 Kakteen sammelte ich seit den 1970er-Jahren, also über 40 Jahre, Briefmarken und andere postalische Belege mit dem Motiv „Kakteen und andere Sukkulenten“. Es machte riesigen Spaß, wenn man nach erfolgreicher Suche bei Händlern im In- und Ausland – hier will ich einmal meine Möglichkeiten als ehemaliger DDR-Bürger entsprechend nur auf die Länder der ehemaligen Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (ˇCSSR), Ungarn, Polen und Bulgarien begrenzen – Marken, aber auch Ersttagsbriefe (FDC) fand. Das Motivgebiet war damals nicht allzu groß, gerade hatte die DDR-Postverwaltung 1970 und 1974 jeweils eine attraktive Kakteen-Ausgabe mit je sechs Werten an die Schalter gebracht, was eigentlich auch den Start dieses Themengebietes für mich bedeutete. So hatte ich mit dem Echinocereus salm-dyckianus, eine der abgebildeten Pflanzen, bereits den ersten Echinocereus in meiner sich aufbauenden Sammlung, allerdings vorerst im Steckalbum. Es sollten noch einige Jahre vergehen, ehe ich auch diese Art in meiner Sammlung kultivieren konnte. Die Pflanzen für die Motive der DDR-Ausgaben fand der Chemnitzer, vormals Karl-Marx-Städter, Grafiker und Markenschöpfer, Manfred Gottschall (1937–2015), übrigens in der damaligen Kakteengärtnerei Leibe in der Stadt selbst. Bei der zweiten Ausgabe 1974 kamen Pflanzenmotive von Haage/Erfurt in Betracht. Herr Gottschall schuf übrigens bis weit hinein in das wiedervereinigte Deutschland (1998, 1999 u.a.) weitere Briefmarken – leider keine mit Kakteenmotiven. Mit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 konnten dann endlich alle Fesseln in Bezug auf internationalen Briefmarkentausch fallen und die Freunde dieses Motivgebietes stockten ihre Sammlungen enorm auf. Die Angebote mehrten sich und schnell hatte man die jahrelang bestandenen Lücken gefüllt. Die AG Philatelie, im Rahmen der DKG durch Horst Berk gegründet, half dabei mit einem Neuheiten- Abo über einen Händler. So vergingen die Jahre! Mit der Präsenz von EBAY gab es dann d i e Verbindung in alle Welt, eigentlich eine Fundgrube für alles noch fehlende Material in der Sammlung. Ja, aber machte das Sammeln nun eigentlich noch den Spaß und die Freude, die man früher hatte, als ein lang gesuchtes Stück über Umwege endlich in Besitz genommen werden konnte? Ein neues Produkt war das Erscheinen der sogenannten „personalisierten Briefmarken“ im Jahr 2003 in den Niederlanden. Es verbreitete sich rasch. Man kann Briefmarken oder auch „Plus-Briefe“ seit 2009 mit selbst gewählten Motiven bei der Deutschen Post AG zum Druck in Auftrag geben und so bekommt man frankaturgültige Marken oder eben gleich Briefumschläge mit entsprechendem gewählten Markennominal nebst eventuellem Zudruck plus Aufgeld geliefert. Das musste ich natürlich auch probieren und so entstanden immer mehr „Kakteenmotive“. Am Anfang machte das noch Spaß, dann zogen viele nach und man hielt nun bunte Marken als mehr oder weniger attraktives Druckwerk in der Hand. Das Ganze geschah und geschieht aber nicht nur in Deutschland. Tschechische und niederländische Sammler haben z. B. im Laufe der letzten Jahre Dutzende Kakteenmotive auf personalisierten Ausgaben produziert. Nicht zu vergessen sind die Privatpostmarken der verschiedenen Briefdienste, die die „Marktlücke“ bei den Motivsammlern gern mit füllen und ihren „Schnitt“ damit machen. Nun bleibt mir noch zu verkünden, dass ich deshalb die Cactophilatelie beendet habe und meine Kollektion verkaufte ... Die Kakteenpflanzen machen mir indes weiterhin viel Freude!